Am 10. Februar 2020 (MEZ) startete der Solar Orbiter, eine Raumsonde der ESA und NASA zur Erforschung der Sonne. Über die Ausstattung für den Hitzeschutz hatte ich vor einer Weile schon gebloggt. Aber was genau wird denn da eigentlich geschützt? Welche Instrumente hat die Sonde an Bord, und zu welchem Zweck? Darum soll es in diesem Beitrag gehen.
Ziel der Mission
Die Vorgänge innerhalb, auf und im Umfeld der Sonne sind bei weitem nicht nur für Kosmologen interessant. Sie haben durch die magnetische und elektrische Strahlung, die sie erzeugen, durchaus handfeste Auswirkungen auf die irdische Atmosphäre (man denke nur an die bekannen Polarlichter), unsere Technik und somit auch unseren Alltag. Beispielsweise sind bei Masseneruptionen, die in Richtung Erde erfolgen, höhere Strahlungslevel für Astronauten, Piloten und Flugzeugpassagiere zu erwarten. Für Satelliten aller Art bedeuten sie höheren Reibungswiderstand in der Atmosphäre, Strahlungsschäden sowie erhöhte Abnutzung ihrer Solarzellen. Telekommunikations- und Navigationsnetzwerke können gestört werden. Ebenso gibt es möglicherweise unerwünschte, geomagnetisch erzeugte Ströme in unseren Energienetzen.
Allerdings ist die Physik dahinter noch nicht besonders intensiv erforscht, und hier soll der Solar Orbiter Abhilfe schaffen. Wenn wir die Zusammenhänge zwischen einzelnen Ereignissen rund um die Sonne besser verstehen, werden Vorhersagen zuverlässiger und Schutzmaßnahmen effizienter.
Konkretes Ziel der Solar-Orbiter-Mission ist daher die nähere Forschung in vier Themenbereichen:
1. Wie entsteht der Sonnenwind, bei dem Partikel mit der enormen Geschwindigkeit von 300 bis 800 Kilometern pro Sekunde der Schwerkraft der Sonne entkommen? Wie interagieren Korona und Magnetfeld der Sonne für ein solches Ergebnis? Wie verändert sich der Sonnenwind in seiner Zusammensetzung auf seinem Weg durchs Sonnensystem? Was sagen uns die Messergebnisse des Solar Orbiter über die bisher kursierenden Theorien zum Sonnenwind und seiner Entstehung?
2. Das Weltraumwetter. Auf der Sonnenoberfläche entstehen bisweilen spontan Protuberanzen, Flares, Schockwellen, koronare Massenauswürfe etc. Sie alle verändern den Sonnenwind, was wie bereits gesagt Auswirkungen auf empfindliche Elektronik auf der Erde haben kann.
3. Ähnliches gilt für die Ursache von Sonneneruptionen, bei denen Partikel mit beinahe Lichtgeschwindigkeit von der Sonne weg geschleudert werden, unser irdisches Magnetfeld überwinden und unsere Amosphäre durchdringen.
4. Sämtliche dieser genannten Sonnenaktivitäten hängen ihrerseits vom Magnetfeld der Sonne ab. Laut der aktuell gängigsten Theorie entsteht es aufgrund der Sonnenrotation, welche Fließbewegungen und Scherkräfte im Plasma des Sterns bzw. dessen diversen Schichten verursacht. Auch diese Dynamik soll der Solar Orbiter erforschen.
Die Instrumente
Die Forscher setzen bei dieser Mission auf eine Kombination aus zehn wissenschaflichen Instrumenten, mit denen Daten erstmals sowohl in direkter Sonnennähe als auch in größerer Entfernung gesammelt werden. Daraus ergibt sich nicht nur eine Reihe von einzelnen Messergebnissen, sondern es kann auch die Veränderung des Sonnenwindes von der Sonne bis zu seiner Ankunft an der Erde untersucht werden.
Zu den sogenannten In-Situ-Instrumenten für die Messungen in der direkten Umgebung der Sonne gehören:
Der EPD (Energetic Particle Detector)
Sein Einsatzbereich ist die innere Heliosphäre, also der innerste Teil der Schicht aus Plasma, welche unser Sonnensystem umgibt. Mit den Instrumenten
– „SupraThermal Electrons and Protons“ (STEP),
– „Electron Proton Telescope“ (EPT),
– „Suprathermal Ion Spectrograph“ (SIS),
– „High-Energy Telescope“ (HET)
wird der EPD Elektronen, Protonen und Schwerionen in der Umgebung des Solar Orbiters messen. Geplant ist dabei nicht nur die rein quantitative Erfassung, sondern auch eine Analyse ihres Spektrums sowie ihrer zeitlichen und räumlichen Verteilung. Darüber hinaus soll der EPD zur Beantwortung der Fragen beitragen, woher diese Teilchen kommen, wie sie beschleunigt und wie sie weitertransportiert werden. Die „Instrument Control Unit“ (ICU) dient, wie der Name schon andeutet, als Interface zum Orbiter.
Leitender Wissenschaftler für den EPD ist Javier Rodríguez-Pacheco von der Universität Alcalá in Spanien.
Das Magnetometer (MAG)
Das Magnetfeld der Sonne erstreckt sich durch unser ganzes Planetenystem und darüber hinaus. Magnetfelder sind verantwortlich für das Verhalten von Plasma wie dem der Heliosphäre, denn sie steuern die Bewegung der Partikel, aus denen sich das Plasma zusammensetzt. Änderungen am Magnetfeld der Sonne, durch z.B. Schocks oder Turbulenzen, haben daher auch Auswirkungen auf das Verhalten des Plasmas. Durch gleichzeitige Beobachtung von Partikeln und Magnetfeld erhoffen sich die Wissenschaftler vom MAG daher detailiertere Erkenntnisse darüber, wie das Magnetfeld der Sonne mit der Heliosphäre und dem Rest des Sonnensystems interagiert, wie sich die Sonnenkorona aufheizt und wie die Energieströme im Sonnenwind verlaufen. Hierfür wird die Stärke und Ausrichtung des Magnetfeldes gemessen, (Im Kleinen gibt es ähnliche Messungen übrigens bereits an der University of Wisconsin-Madison, wo es Forschern 2019 gelungen ist, eine künstliche Mini-Sonne im Labor zu erzeugen.)
Leitender Wissenschaftler des MAG ist Tim Horbury vom Imperial College London, Großbritannien.
Solar Wind Analyser (SWA)
Dieses Instrument wird in Sonnennähe die Geschwindigkeit, Temperatur, Dichte und Zusammensetzung des Sonnenwindes ermitteln. Eines seiner drei Instrumente untersucht dabei gleichzeitig die Ausrichtung magnetischer Feldlinien in der direkten Umgebung. Kombiniert werden die so gewonnenen Daten mit denen von anderen Instrumenten des Solar Orbiters, die nachfolgend noch vorgestellt werden. Die Forscher hoffen, auf diese Weise feststellen zu können, wo der Sonnenwind konkret entspringt.
Leitender Wissenschaftler des SWA ist Christopher Owen vom Mullard Space Science Laboratory, Großbritannien.
Radio- und Plasmawellen (RPW)
Das RPW ist insofern einzigartig, als es sich gleichzeitig um ein In-Situ- als auch um ein Instrument für Fernmessungen handelt. Es besteht aus einem System von Plasma– bzw. Radiowellenempfängern für Wellenlängen zwischen 0,1 Hertz und 20 Megahertz. Auch hier gibt es eine sogenannte Data Processing Unit (DPU), welche die Befehle, Daten und Kommunikation zwischen den einzelnen Komponenten und mit dem Orbiter koordiniert.
Leitender Wissenschaftler des RPW ist Milan Maksimovic, LESIA, Observatoire de Paris, Frankreich.
Sechs weitere Instrumente dienen der Fernbeobachtung:
Extreme Ultraviolet Imager (EUI)
Misst man die Temperatur der Sonne in verschiedenen Tiefen, so stellt man fest, dass es im Kern und in der Korona heißer ist als an der Photosphäre zwischen Kern und Korona. Die Beobachtungen des EUI sollen dazu beitragen, diese Aufheiz-Prozesse zu erklären. In Verbindung mit den Ergebnissen anderer Instrumente hofft man gleichzeitig feststellen zu können, aus welchen Regionen der Sonne der aktuelle Sonnenwind stammt.
Ein weiteres Rätsel, dessen Lösung man mit Hilfe des EUI auf die Spur kommen will, ist der Grund für die Existenz der Sonnenkorona. Es ist bisher nicht eindeutig geklärt, woher diese ihren Nachschub an Masse und Energie nimmt, während sie selbst permanent große Mengen von beidem ausstößt.
Das EUI besteht aus insgesamt drei Komponenten für Messungen im UV-Bereich. Eine Kamera nimmt Bilder von der Sonne insgesamt auf. Zwei zusätzliche hochauflösende Teleskope sind für Detailbeobachtungen konzipiert und sollen zum Beispiel Flares und koronare Massenauswürfe genauer unter die Lupe nehmen.
Leitender Wissenschaftler des EUI ist David Berghmans, Royal Observatory, Belgien.
Metis Coronagraph
Bei diesem Instrument handelt es sich um eine Art Kamera für die Randbereiche der Sonne. Man muss sich das ungefähr so vorstellen, als würde man bei einer herkömmlichen Kamera die Mitte des Objektivs mit einem aufgeklebten Punkt verdunkeln. Die so erstellen Aufnahmen simulieren quasi eine ringförmige Sonnenfinsternis, bei der ja ebenfalls nur die Außenbereiche des Sterns sichtbar bleiben. Die Aufnahmen umfassen bei METIS den sichtbaren Wellenlängenbereich sowie den von Wasserstoff erzeugten extremen UV-Bereich. Durch einen Vergleich dieser Aufnahmen kann METIS die Geschwindigkeit des Sonnenwindes bestimmen und feststellen, wo er überhaupt genau beginnt. Die eingehendere Beobachtung jener Regionen führt wiederum hoffentlich zu neuen Erkenntnissen bezüglich der eigentlichen Ursachen des Sonnenwindes.
Leitender Wissenschaftler von METIS ist Marco Romoli, INAF – Universität von Florenz, Italien.
Polarimetric and Helioseismic Imager (PHI)
Wie der Name schon andeutet, misst der PHI das Magnetfeld der Sonne und erstellt daraus eine Land- bzw. Sonnenkarte. Er bestimmt allerdings auch die Helligkeit der Sonne im sichtbaren Bereich und misst außerdem die Schallwellen, die bei der Umwälzung von Materie in der Konvektionszone entstehen. Dass unser Stern dabei regelrecht brummt, ist schon seit einiger Zeit bekannt. Ebenso, dass diese Umwälzungen die Sonne zu einer Art Dynamo werden lassen. Nun soll dieses Phänomen genauer untersucht werden, um daraus noch mehr Rückschlüsse auf die Abläufe im Inneren des Sterns und die Entstehung seines Magnetfeldes ziehen zu können.
Leitender Wissenschaftler des PHI ist Sami Solanki, Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, Göttingen, Deutschland
Heliospheric Imager (SoloHI)
Im Sonnenwind befinden sich Elektronen und Staub. Wie alle Teilchen streuen auch sie sichtbares Licht. Das Instrument SoloHI, misst diese Streuung und kann anhand der Veränderungen kurzfristige Schwankungen im Sonnenwind feststellen und analysieren. Das ist vor allem in den Fällen interessant, in denen koronare Massenauswürfe stattfinden und man relativ schnell einschätzen können möchte, wie diese sich auf den Sonnenwind auswirken werden – und der Sonnenwind sich im weiteren Verlauf wiederum auf die Erde.
SoloHI ist von der grundsätzlichen Technik her ein Teleskop mit einem Gesichtsfeld von ca. 40° und fliegt mit dem Solar Orbiter ober- und unterhalb der Ekliptik, also dort, wo die Plasmahülle der Sonne am dichtesten ist und außerhalb der gedachten Ebene, die die Planeten um die Sonne herum bilden. So ergibt sich ein guter Blick nicht nur auf die Pole, sondern auch auf den kompletten Äquator der Sonne. Das wiederum ist ideal, um die allermeisten Eruptionen etc. erfolgreich aufzuspüren und um die Entstehung der sogenannten Parker-Spirale zu beobachten, also Material, das durch die Rotation der Sonne aus dieser herausgeschleudert wird.
Leitender Wissenschaftler des SoloHI ist Russell A. Howard, US Naval Research Laboratory, Washington, DC (US)
Spectral Imaging of the Coronal Environment (SPICE)
Bei diesem Instrument steht die Übergangszone zwischen Sonnenoberfläche und Sonnenkorkona im Mittelpunkt, und zwar wie bei Metis und dem EUI im Ultraviolett-Bereich. Der Grund dafür ist die Tatsache, dass verschiedene Gase bei verschiedenen Temperaturen Strahlung in unterschiedlichen Wellenlängen dieses Bereiches erzeugen. Diese zu messen, lässt also ebenfalls Rückschlüsse auf die konkreten Vorgänge in der beobachteten Zone zu.
Die Messungen werden zwei unterschiedliche Sonnenwind-Ströme betreffen: Den langsamen, mit ca. 350 Kilometern pro Sekunde, und den zweiten, ungefähr doppelt so schnellen. Sollten wir es schaffen herauszufinden, wo jeder dieser Winde jeweils entspringt, haben wir auch wieder neue Erkenntnisse darüber, wie das Magnetfeld der Sonne den Materietransport beeinflusst bzw. lenkt. Helfen soll dabei auch die Kombination mit den Daten von anderen Solar-Orbiter-Instrumenten wie zum Beispiel dem Solar Wind Analyser. Dabei entsteht im Lauf der Zeit eine Karte des Sonnenplasmas, auch an den Polen, welche man wiederum abgleichen kann mit den Erkenntnissen über die Ausbreitung und Veränderung des Magnetfeldes.
SPICE ist ein Europäisches Gemeinschaftsinstrument; Leitender Wissenschaftler ist Frédéric Auchère vom Institut d’Astrophysique Spatiale, Orsay, Frankreich.
X-Ray Spectrometer/Telescope (STIX)
STIX hat ein besonders weites Gesichtsfeld und ist speziell der Beobachtung von Sonnen-Eruptionen, sogenannten „Flares“ gewidmet; genauer gesagt der von ihnen ausgehenden Röntgenstrahlung. Dabei werden Ort, Intensität und Zeitpunkt genau erfasst und mit den Messungen anderer Instrumente abgeglichen, um herauszufinden, welche anderen Vorgänge zum jeweiligen Flare geführt haben könnten. Flares sind dafür bekannt, dass sie Teilchen bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen und ins All schleudern. Sie sind daher eine Gefahrenquelle für Astronauten und technische Ausrüstungen. Sollte es gelingen, durch Beobachtung der Sonnenoberfläche Flares zukünftig besser vorherzusagen, wäre es ggf. auch möglich, rechtzeitig für Abschirmungen zu sorgen.
Leitender Wissenschaftler des STIX ist Sämuel Krucker von der Fachhochschule Nordwestschweiz in Windisch.
Kooperation mit der Parker Solar Probe
Neben den Instrumenten des Solar Orbiter liefert den Forschern bei dieser Mission übrigens auch die im August 2018 gestartete Parker Solar Probe der NASA neue Erkenntnisse. Die beiden Sonden ergänzen einander in mancherlei Hinsicht. Beispielsweise kommt die PSP mit 6,2 Millionen Kilometern noch wesentlich näher an die Sonne heran als der Solar Orbiter. Dieser jedoch wird dafür — wie oben bereits kurz erwähnt — in einen Orbit einschwenken, der es erstmals überhaupt ermöglicht, die Pole der Sonne in einem so breiten Spektrum und aus solcher Nähe zu betrachten und zu untersuchen.
Die Parker Solar Probe ist sicherlich einen ganz eigenen Blogeintrag wert. An dieser Stelle hier soll aber ein kurzes Video über die Zusammenarbeit dieser beiden Sonden bwz. ihrer Forscherteams als kleine Einführung genügen:
Beide Sonden gemeinsam werden nicht nur die Sonne erforschen. Die zwei Missionen bedeuten auch einen großen allgemeinen Erkenntnisgewinn für den Betrieb von Satelliten unter extremen Bedingungen.
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