Launcher, Technik, Unbemannt

P120C — dritter Static-Fire-Test bestanden

Nach dem ersten Test im Sommer 2018 hat der Feststoffbooster P120C/ESR im Januar 2019 den zweiten und am 7. Oktober 2020 nun auch den Abschlusstest am Europäischen Weltraumbahnhof in Kourou erfolgreich hinter sich gebracht.


(Video der europäischen Raumfahrtagentur ESA)

Der P120C ist für den Einsatz an Europas neuer Trägerrakete Ariane 6 sowie auch der Vega C bestimmt und basiert im Prinzip auf dem P80-Modell, also der Erststufe der bisherigen Vega. Diverse Änderungen bei den Abmessungen, den verwendeten Materialien und dem Herstellungsprozess ergaben jedoch technisch betrachtet eine neue Komponente. So ist beispielsweise die Verkleidung des neuen Boosters aus nur einem Stück gefertigt, und dieses besteht obendrein nicht mehr aus den bisher verwendeten Metalllegierungen, sondern aus Kohlefaserverbundstoffen. Aufgrund all dessen musste der Booster insgesamt drei Static-Fire-Tests durchlaufen, bevor man ihn für die Verwendung an einer Rakete als ausreichend sicher einstufen konnte.

Bei diesen sogenannten Static-Fire-Tests wird ein Flug lediglich simuliert, indem man den Booster am Boden auf einem Teststand fixiert, anschließend regulär zündet und mittels diverser Sensoren seine Leistungsparameter und das Materialverhalten während und nach diesem Vorgang misst. Während dieser Tests, und natürlich auch während eines echten Fluges, treten enorme Vibrationen auf und es werden Temperaturen von bis zu 3.000°C erreicht.

Der bereits erwähnte erste Test im Juli 2018 wurde am Entwicklungsmodell des Boosters vorgenommen, welches samt Prüfstand für den Einsatz an einer Vega C konfiguriert war. Da ein P120C nach ca. 130 Sekunden ausgebrannt ist, fallen die eigentlichen Tests entsprechend kurz aus, wie das oben eingebettete Video zeigt. Die Vorbereitungen, die Auswertung der Messungen und die Untersuchungen an den Überresten hingegen sind dafür um so umfangreicher und langwieriger. Immerhin wird der so getestete Motor im Anschluss komplett auseinandergebaut und jede Komponente einzeln untersucht. Unter Zuhilfenahme der dabei gewonnenen Daten entstand dann das sogenannte „Qualification Model“ (bisweilen auch „Qualification Motor“ genannt) QM1 sowie QM2 für die darauffolgenden Tests. Hierbei war Nr. 1 im Januar 2019 erneut für die Vega C, das aktuelle QM2 hingegen für den Einsatz an einer Ariane 6 konfiguriert.

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang übrigens die Tatsache, dass sich unter den rund 600 gemessenen Parametern auch die Verschmutzung von Luft und Wasser im nächsten, mittleren und weiteren Umfeld des Teststands befinden, bis in die angrenzenden Städte hinein. Auf diese Weise soll ermittelt werden, wie und in welchem Umfang bei den Starts der betreffenden Raketen die Umwelt in Mitleidenschaft gezogen wird. Die Analyse dieser Messergebnisse übernimmt das französische Grundlagenforschungszentrum Institut Pasteur.

Selbstverständlich ist im aktuellen Stadium kaum damit zu rechnen, dass am P120C noch grundlegende Änderungen vorgenommen werden müssen. Ziel ist hauptsächlich der Ausschluss von unliebsamen Überraschungen, die trotz aller Sorgfalt, die man bei Design und Berechnungen walten lassen hat, immer noch auftreten können. Insbesondere wenn man ein und dasselbe Modell an mehreren verschiedenen Launchern einsetzen möchte.

Nach dem jüngsten Test hieß es seitens der Verantwortlichen jedoch, dass keine Anomalien aufgetreten sind und die Leistung des Motors wie erwartet ausfiel. Das gleiche gilt für den Motor Vulcain 2.1, die Hauptstufe der Ariane 6, welche bereits im September erfolgreich ihre Testzündung hinter sich gebracht hat. Falls die weitere Auswertung nicht wider Erwarten doch noch gravierende unliebsame Ergebnisse zutage fördern sollte, ist damit nun eine weitere Hürde auf dem Weg zu den Jungfernflügen der Ariane 6 sowie der Vega C genommen. Beide Flüge sollen nach meinem aktuellen Kenntnisstand Mitte bis Ende 2021 stattfinden.

In diesem Sinne: Godspeed and Clear Skies!

  1. Andreas Seebacher

    Es würde mich einmal interessieren, in wie weit die Fixierung der Stufe im Teststand das Vibrationsverhalten beeinflusst. Eigentlich müsste das Vibrationsverhalten des Boosters, wenn er an der ersten Stufe der Ariane 6 befestigt ist.

    • Leaving Orbit

      Interessante Frage! Ich gehe davon aus, dass die Befestigung so vorgenommen wird, dass der echte Einsatz dabei möglichst gut simuliert werden kann. Darüber hinaus ist das Vibrationsverhalten natürlich nur einer von vielen Faktoren, die da getestet werden. Mir ist leider nicht bekannt, wie er gewichtet ist.

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