Ammoniak wird im Kühlsystem der ISS (PVTCS bzw. „Photovoltaic Thermal Control System“ (PDF) genannt) zum Ableiten der Hitze von sämtlichen elektronischen Systemen benutzt. Der Defekt war zwar nicht unmittelbar lebensbedrohlich für die Crew, hätte aber mittelfristig dennoch zum Ausfall verschiedenster Systeme führen und somit die Besatzung gefährden können. Bereits 2007 hatte es an der selben Stelle schon einmal ein derartiges Problem gegeben, welches jedoch in einem Außeneinsatz behoben wurde. Zu einem ähnlichen Einsatz kam es nun erneut am 11. Mai 2013.
Angeleitet von ihren Kollegen an Bord sowie vom Bodenpersonal in den USA verließen Chris Cassidy und Tom Marshburn die ISS und betrieben zunächst Ursachenforschung. Diese gestaltete sich zu Anfang etwas schwierig, da einerseits die Helmbeleuchtung von Chris Cassidys Raumanzug nicht korrekt funktionierte, andererseits aber auch auf Anhieb nichts Ungewöhnliches am System gefunden werden konnte. Während des fast fünfstündigen Einsatzes wurde das Kühlsystem an der Stelle des zuvor vermuteten Lecks daher lediglich zusätzlich abgesichert und stabilisiert sowie zu Analysezwecken fotografiert. Zum Einsatz kamen dabei, ähnlich wie bei einer minimalinvasiven Operation, Schläuche und Spiegel, um auch schlecht zugängliche Winkel gut einsehen zu können. Auch mit diesen Hilfsmitteln wurde jedoch kein Leck und keine Ammoniak-Kristalle gefunden. Commander Hadfield, ein Kollege von Chris Cassidy und Tom Marshburn, fotografierte seinerseits die beiden Astronauten bei ihrem Außeneinsatz aus seiner Perspektive im Inneren der ISS. Nach Abschluss der Analyse wurde ein Pumpen-Ersatzmodul ins Kühlsystem eingesetzt (siehe nebenstehender Screenshot). Dies war für den Fall, dass ein Leck lokalisiert werden könnte, ohnehin vorgesehen und wurde nun sicherheitshalber trotz Fehlens des Lecks auch durchgeführt.Was sich hier relativ einfach liest und so spielerisch aussieht, ist tatsächlich Schwerstarbeit für die Astronauten. Helm und Handschuhe des Raumanzuges verursachten eingeschränkte Sicht und Feinmotorik, während die Männer gleichzeitig aufpassen mussten, dass Werkzeuge und Bauteile nicht versehentlich unwiederbringlich im All verschwanden.
Ähnliches gilt für die Astronauten selbst: Während des Livestreams der NASA konnte man mithören, wie jeder Schritt und jede Bewegung minutiös geplant und von Anleitungen und Warnungen begleitet wurde. Es besteht bei solchen sogenannten „Space Walks“ an einigen Stellen die Gefahr, dass die Astronauten ihre Raumanzüge an scharfen Kanten und Spitzen beschädigen oder an aufgeheizten Bauteilen verbrennen. Um ein Abdriften ins All zu verhindern, verbinden sich die Astronauten per Karabinerhaken mit den Bauteilen und werden bei derartigen Einsätzen zusätzlich mit einer „Rettungsleine“ an der ISS verankert.So ärgerlich die nun verbleibende Unsicherheit bzgl. des vermuteten Ammoniak-Austritts auch sein mag, waren die Außenarbeiten am 11. Mai doch nicht ganz vergeblich. Hätte man nicht sichergestellt, dass zumindest jetzt kein Ammoniak mehr(?) austritt, so hätte die derzeit sechsköpfige Crew das Energiesystem der ISS noch am selben Tag abstellen müssen. Trotz der vorhandenen Reserven wäre ein solcher Zwischenfall für die Arbeiten in der Raumstation natürlich suboptimal und würde auch das ursprünglich für den 10. Mai geplante Treffen mit russischen Kosmonauten noch weiter verzögern.
Das nun generalüberholte Modul wird lt. Angaben der NASA natürlich weiterhin beobachtet.
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