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Up, up and away – der Mars Helicopter

Aller Voraussicht nach startet im Juli 2020 der fünfte Mars-Rover der NASA zum roten Planeten. Nach Sojourner, Spirit, Opportunity und Curiosity folgt diesmal “Mars 2020“, der bisher noch keinen “echten“ Namen hat und den Jezero-Krater auf dem Mars im Februar 2021 erreichen soll.

Was?
Mars Helicopter

Mars Helicopter. Quelle u. Copyright: NASA

Auch dieser Rover ist wieder mit diversen Instrumenten ausgestattet, welche die bereits laufende Suche nach früherem und ggf. aktuellem Leben auf dem roten Planeten ausdehnen und methodisch vertiefen sollen. Untersuchungen zu Geologie und Klima des Mars stehen ebenfalls auf dem Programm des Rovers. Mit an Bord ist jedoch auch ein Novum: Der Mars Helicopter. Zum ersten Mal in der Geschichte der Erkundung unseres Sonnensystems soll eine Sonde sich nicht auf dem Boden, sondern kontrolliert und längerfristig in der Atmosphäre des Planeten fortbewegen.

Warum?

Die Vorteile gegenüber der bodengebundenen Fortbewegung liegen auf der Hand:

  1. Gerade auf den Forschungsgebieten Geologie und Klima ergänzen die Daten und Aufnahmen eines Helikopters diejenigen von Satelliten und Bodengeräten. Man erhält also im Idealfall nicht nur bessere, sondern möglicherweise sogar ganz neue Erkenntnisse.
  2. Durch sein wesentlich geringeres Gewicht und seine kleinen Maße kann der Helikopter auch auf Stellen wie zum Beispiel Klippenrändern und Vorsprüngen positioniert werden, die unter dem Gewicht des Rovers evtl. nachgeben würden.
  3. Obendrein ist der Helikopter auch schneller. Spirit und Opportunity wurden für eine Höchstgeschwindigkeit von 16 Metern(!) pro Stunde(!) konstruiert. Sojourner für 32, Curiosity für 144. Also allesamt weit langsamer als ein Mensch und dementsprechend in der Reichweite doch beträchtlich eingeschränkt. Erschwerend hinzu kommen noch durch den Untergrund verursachte Abnutzungserscheinungen und Schäden an den Rädern. Auch damit ist bei einem Helikopter bei weitem nicht in diesem Ausmaß zu rechnen.
  4. Verglichen mit einem Rover kann ein Helikopter außerdem wesentlich leichter den Standort wechseln und dabei auch Höhenunterschiede überwinden, die für Rover ein zu großes Hindernis darstellen oder umständlich und langwierig umfahren werden müssten.
Wie?

Die Entwicklung dieses Flugapparates läuft bereits seit einigen Jahren, wobei die grundsätzliche Funktionsweise nicht von der eines irdischen Helikopters abweicht. Allerdings machten die besonderen Umweltbedingungen auf dem Mars eine ganze Reihe von Anpassungen notwendig:

Die Atmosphärendichte auf dem Mars beträgt nur ein Prozent derer bei Nullniveau auf der Erde. Wie man im oben verlinkten Video sieht, ist die Menge an verdrängter “Luft“ aber mit entscheidend für den Auftrieb des Fluggerätes. Andere Parameter wie das Gewicht der Sonde oder die Maße und Geschwindigkeit des Rotors mussten daher entsprechend optimiert werden, um auch auf dem Mars einen Flug zu ermöglichen.

So drehen sich die beiden Rotoren des Mars Helicopter nicht nur gegenläufig, sondern mit 2800 Umdrehungen pro Minute auch zehnmal schneller als es für ein vergleichbares Gerät auf der Erde nötig wäre. Die Rotorblätter sind zudem wesentlich steifer. Ihre Länge beträgt von Spitze zu Spitze ungefähr 1,2 Meter, während der zu tragende Nutzteil lediglich so groß wie ein Softball ist. Für den Bau des Gerätes wurden zudem wo immer möglich die kleinsten Komponenten und die leichtesten bekannten Materialien verwendet. Die gesamte Masse des kleinen Helikopters beträgt unter 2 Kilogramm.

Auch bei der Auswahl der Materialien gab es allerdings Einschränkungen. Denn neben der Atmosphäre mussten die Ingenieure den Helikopter auch ans Klima des Mars und an die zu erwartende Strahlung anpassen. Die Strahlungsintensität liegt im Schnitt bei ungefähr 0,7 Millisievert pro Tag. Zum Vergleich: Die Strahlungs-Jahres(!)dosis in Deutschland liegt je nach genauem Standort bei 1 bis 5 Millisievert. Zudem betragen die Temperaturen auf unserem Nachbarplaneten maximal rund 20°C an einem Sommertag und können nachts bis ca. -90°C fallen.
Nicht jedes Material hält diese Werte bzw. Schwankungen aus. Die Kälte erschwert zudem die Ladungserhaltung der Akkus. Aus diesem Grund sorgt ein Solarpanel nicht nur für Wiederaufladung, sondern auch für Wärme während der Nacht.

Ein Prototyp des Helikopters wurde erstmals 2016 am NASA Jet Propulsion Laboratory (JPL) getestet. Zu den seither erfolgten Testreihen gehörten auch Flüge in simulierter Marsatmosphäre, -temperatur und -windgeschwindigkeit sowie Belastungstests des Landungsgestells auf simuliertem Marsboden. Am Ende des Entwicklungsprozesses steht nun ein voll einsatzbereites Instrument mit folgenden Eckdaten:

Gewicht: 1,8 Kilogramm
Ausmaße des Chassis: Vergleichbar mit einem Softball
Anzahl Rotoren: 2
Durchmesser der Rotoren: 1,2 Meter
Gesamthöhe: 78 Zentimeter
Flughöhe: 3 bis 5 Meter
Max. Geschwindigkeit: schätzungsweise 50 Meter pro Sekunde
Anzahl geplanter Flüge: 5
Flugdauer: 90 Sekunden
Energieversorgung: Lithium-Ionen-Akku, aufladbar durch ein 3-Watt-Solarpanel
Energieverbrauch: 360 Watt/Flugsekunde
Kamera: >12 Megapixel, farbig

Untergebracht ist der Mars Helicopter im Inneren des Rovers. Ungefähr 60 bis 90 Marstage nach der Landung wird der den Helikopter aussetzen und sich dann auf eine sichere Distanz entfernen. Rover und Helikopter werden während der Mission aber weiterhin miteinander kommunizieren. Beispielsweise werden die Bilder des Helikopters zunächst an den Rover übermittelt, und erst von diesem an die Erde.

Fliegen und auch landen muss der Helikopter allerdings zu guten Teilen autonom. Die lange Übermittlungszeit der Signale zwischen ihm und der hiesigen Bodenkontrolle erlaubt keine zeitnahe Steuerung, sondern lediglich mehr oder weniger grobe Anweisungen vorab, bezüglich der einzuschlagenden Richtung etc. Der Helikopter ist daher auch mit Erkennungssystemen ausgestattet, die ihm eine eigenständige spontane Auswahl des Terrains für seine Landung erlauben.

Grundsätzlich ist der aktuelle Mars Helicopter eher als Experiment bzw. Demonstrationsobjekt denn als eigene Mission gedacht. Die NASA hofft allerdings, in Zukunft weitere Geräte dieser Art auf dem Mars und ggf. auch anderen Planeten mit eigener Atmosphäre einsetzen zu können. Sie könnten nicht nur Bilder und Messergebnisse liefern, sondern auch als Relais fungieren und Rover dirigieren bzw. koordinieren.

Insgesamt ergibt sich hieraus eine ganze Reihe neuer Möglichkeiten für zukünftige Missionen, bezogen sowohl auf deren technische Durchführung, als auch auf die Orte, die zukünftig zur überhaupt angesteuert werden können. Vorausgesetzt natürlich, der Rover und der Helikopter kommen heil auf dem Mars an und die Inbetriebnahme des kleinen Fluggerätes gelingt wie geplant.

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Quellen:
2018 Science Mission Directorate Science and Technology Report
10 Things: Mars Helicopter

  1. Ekki

    Interessant, das wusste ich noch nicht. Ist Dir bekannt, wie der Heli navigiert, also seine Richtung findet? Sprich: Hat der Mars eigentlich ein Magnetfeld ähnlich wie die Erde, das man dafür benutzen könnte? Oder machen die das per Trägheitsnavigation?

    • Leaving Orbit

      Der Heli navigiert hauptsächlich mit Hilfe seiner Kamera(s). Dazu kommen noch ein paar Lagesensoren und ein laserbasierter Entfernungsmesser.

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