Technik

Wohin mit dem Schrott?

Es ist Dienstag, der 10. Februar 2009. Über Nordsibirien kollidieren in 790 km Höhe ein amerikanischer und ein russischer Satellit und zerbersten in über 2.000 Bruchstücke. Diese umkreisen von nun an die Erde mit einer Geschwindigkeit von mehreren zehntausend(!) Stundenkilometern. Allerdings auf Umlaufbahnen, die sich der menschlichen Kontrolle entziehen.

Sie sind nicht die einzigen: Seit von der Erde aus Objekte ins All geschossen werden, haben sich im Orbit die Bruchstücke und Abfallprodukte von Raketenstufen, Satelliten etc. angesammelt. Geschätzt 30.000 Objekte von mehr als 10 cm und Hundertausende kleinerer Trümmer von über 1 cm Größe. [1] Insgesamt fast 7.000 Tonnen Weltraumschrott.

Raumschrott-Schaden an der Antenne des Hubble-Teleskops

Raumschrott-Schaden an der Antenne des Hubble-Teleskops. Bild: NASA

Welch großen Schaden selbst kleinste Objekte anrichten können, wenn man sie nur ausreichend beschleunigt, zeigt schon eine einfache Ladung Schrotkugeln. Den selben Effekt erzielen die Trümmer im Orbit, wenn sie auf ihren Bahnen Satelliten oder gar Raumfahrzeuge oder Raumstationen treffen. Bei diesen Geschwindigkeiten reicht schon eine Größe von wenigen Millimetern, um selbst solide Objekte zu beschädigen. Im Fall der beiden 2009 kollidierten Satelliten bestand sogar unmittelbare Gefahr für die Besatzung der ISS, die sich in nur 200 km Entfernung befand – ein Katzensprung bei dem Maßstab.

Noch problematischer erscheint der herumfliegende Abfall unter dem Gesichtspunkt, dass eine solche Kollision wiederum für weiteren Weltraumschrott sorgt. Ein Effekt, der unter der Bezeichnung „Kessler-Syndrom“ bekannt ist. Einige wenige dieser Objekte verglühen täglich in der Atmosphäre. Der Rest jedoch wird noch über Jahrzehnte hinweg im Orbit kreisen und aktuelle wie zukünftige Projekte gefährden, wenn die verantwortlichen Organisationen nichts dagegen unternehmen.*)

Welche Lösungen bieten sich also an? Bereits 2011 wurde z.B. ein Laser in Betracht gezogen. [2] Der Druck der Photonen soll das jeweilige Objekt geringfügig aus seiner Bahn befördern und so eine Kollision verhindern. Hält man sich allerdings nochmals die schiere Anzahl an Bruchstücken vor Augen (von denen diejenigen unter 1 cm Größe noch nicht einmal wirklich erfasst sind), wird schnell klar, dass die Lasermethode nur für verhältnismäßig wenige Fälle geeignet sein dürfte.

Die Vorschläge auf der gestrigen 6. internationalen Konferenz zum Thema „Weltraumschrott“ reichten von Fangnetzen über Greifarme bis hin zu Antrieben, die Satelliten nach Ende ihrer Funktionszeit auf eine „unschädliche“ Umlaufbahn befördern sollen. Denkbar wäre auch, Objekte wie Satelliten von vornherein mit einer Bremse auszustatten, damit sie nach ihrem Einsatz konrolliert in die Erdatmosphäre eindringen und dort verglühen.

Tank einer Delta 2 in Texas

Tank einer Delta 2 in Texas. Bild: NASA

All diese Methoden sind bisher unerprobt, doch wird man nicht umhin kommen, sich baldmöglichst an die Umsetzung zu begeben. Denn es handelt sich hier um ein Problem, das ein Otto-Normal-Verbraucher keinesfalls als buchstäblich „weit weg“ oder „abgehoben“ abtun kann. Selbst wenn die ISS verschont bleibt und „nur“ ein Satellit getroffen wird, geht dies uns alle an. Warum, wird ziemlich schnell deutlich wenn z.B. während der Dienstreise das Navigationssystem im Auto ausfällt, die Telekommunikation in Notfällen gestört ist oder ganze Landstriche nicht rechtzeitig vor Unwettern gewarnt werden können. Des weiteren muss man durchaus damit rechnen, dass von Zeit zu Zeit auch größere Stücke in die Atmosphäre wiedereintreten und auf der Erde aufschlagen, wie das nebenstehende Bild beweist.

Ob es uns also gefällt oder nicht: Der reibungslose Ablauf unseres Alltags hängt schon längst von der Funktionstüchtigkeit unserer Satelliten im All ab – und somit von der Lösung des Schrottproblems.*)

—————-
*) Interessanterweise heißt es auf der Webseite der NASA übrigens:

„However, it should be noted that, currently, no U.S. government entity has been assigned the task of removing existing on-orbit debris.“
(Quelle: http://orbitaldebris.jsc.nasa.gov/Remediation/remediation.html)

Nun ja…

[1] Lt. Heiner Klinkrad, ESA, auf der 6. Konferenz zum Thema „Weltraumschrott“ am 22. April 2013

[2] http://science.orf.at/stories/1678635/

Schreibe eine Antwort

Theme von Anders Norén